Lieferando als Fahrer

Als ich mitten in der zweiten Corona-Welle, Ende 2020 auf die Möglichkeiten blickte, mich bewegen „zu dürfen“ und soziale Kontakte zu haben, guckte ich ziemlich in die Röhre. Im Sommer gab es noch Basketballplatz, Basketball-Training und Fitnessstudio als gute Ergänzungen zu meinem bewegungsarmen Bürojob, aber das war im Lockdown ja alles verboten. Da kam mir die Idee, die freie Zeit am Wochenende und nach Feierabend zu nutzen, um mich etwas zu bewegen, minimale soziale Kontakte zu haben und dabei auch noch Geld zu verdienen. Also habe ich mich bei Lieferando beworben, was natürlich online möglich war.

Auch der gesamte weitere Prozess lief komplett online ab, und war schon fast irritierend einfach. Die Dokumente wurden geprüft, eine kurze Einweisung wurde ebenfalls online gemacht, und schon war ich eingestellt. Der Minijob-Vertrag (max. 450 Euro im Monat) wurde auf ein Jahr befristet ausgestellt. Los ging es Ende Dezember 2021, und seitdem fuhr ich meistens am Wochenende und hin und wieder auch mal nach Feierabend ein paar Stunden Essen in Hannover aus. Dabei war ich immer mit dem eigenen Fahrrad unterwegs, außer wenn ich plötzlich einen Platten bekam, dann wurde mir kurzfristig ein E-Bike von Lieferando zur Verfügung gestellt. Andere Fahrer nutzen dauerhaft das von Lieferando gestellte E-Bike. Für den Materialverschleiß am eigenen Fahrrad bekam ich jeden Monat einen Amazon-Gutschein in der Größenordnung von 30 Euro – das kommt wohl ungefähr hin würde ich meinen.

Was bestellen die Leute denn so bei Lieferando? Pizza ist tatsächlich ziemlich selten – die großen Ketten wie Pizza Hut oder Dominos liefern nämlich selbst. Statt dessen dominieren Burger ziemlich, und dann kommen indische, vietnamesische und thailändische Restaurants. Der Ablauf ist immer der gleiche:

  1. Auftrag mit Name und Adresse des Restaurants und des Kunden kommt in der App an
  2. Man holt das Essen beim Restaurant ab, wobei man in der Regel den Namen des Kunden angibt. Es gibt natürlich auch eine anonyme ID, die wurde in meiner Erfahrung aber nur in einer McDonalds-Filiale verwendet
  3. Das Essen wird in den Rucksack gepackt (für das Einpacken in Tüten etc. ist das Restaurant verantwortlich), die Abholung in der App bestätigt
  4. Das Essen wird zum Kunden gebracht, in der App bestätigt und dann kann der nächste Auftrag kommen – was je nach Auftragslage sofort passiert oder erst nach einer längeren Wartezeit

Natürlich versucht Lieferando dabei, die Wege kurz zu halten. Man wird also selten nach einem Auftrag in der List direkt nach Linden geschickt – aber vorkommen kann es in Ausnahmefällen schon.

Die Schichten werden folgendermaßen eingeplant: Man gibt in der Vorwoche in der App an, zu welchen Zeiten man verfügbar ist. Danach werden, unter Berücksichtigung dieser Vorgaben, die Schichten von Koordinatoren festgelegt. Darüber hinaus können dann meistens noch zusätzliche Schichten übernommen werden, wenn zu dem Zeitpunkt noch zu wenige FahrerInnen eingeplant sind. Natürlich ist sowas natürlich während z.B. Spielen der deutschen Nationalmannschaft der Fall 😉 Bereits geplante Schichten zu wechseln ist leider oft wirklich gar nicht möglich, also sollte man wirklich aufpassen, bevor man einen Zeitraum als „verfügbar“ markiert.

Thema Geld: Der Stundenlohn beträgt zehn Euro die Stunde, darüber hinaus gibt es Boni für erfolgte Lieferungen – dieser ist bei Minijobbern relativ gering, weil man gar nicht auf genug Lieferungen kommt, um in den interessanten Bereich zu kommen (ab 100 Lieferungen im Monat, 1 Euro für jede weitere). An Trinkgeld kommt allerdings einiges zusammen; das meiste in bar, öfter mal auch was über die App. Ich würde schätzen 60 % der Kunden insgesamt geben Trinkgeld, üblich sind 1 oder 2 Euro – ich habe aber auch schon mal einen Fünfer und sogar einmal einen Zehner bekommen 🙂

Zum Ende August 2021 habe ich nun wieder gekündigt – ein halbwegs normales Leben mit Sport in Gemeinschaft etc. ist ja (noch) wieder möglich, und ich hatte zuletzt nur noch wenig Motivation für den Job. Und so nett der zusätzliche Verdienst war – strikt drauf angewiesen bin ich zum Glück nicht. Aber ich fand es trotzdem eine insgesamt positive und interessante Erfahrung, und für mich die damals richtige Entscheidung.

Auch die Kündigung läuft ziemlich unbürokratisch und effizient — natürlich ist das Unternehmen eine gewisse Fluktuation bei den Mitarbeitern gewohnt.

Abschließend noch ein paar Statistiken für Nerds wie mich 😉

Monat Aufträge km
Dez* 40 120
Jan* 100 250
Feb 50 155
Mrz 89 236
Apr 90 254
Mai 91 238
Jun 87 258
Jul 72 217
Aug 75 217
Summe 694 1945

*Die Zahlen für Jan. und Dez. habe ich nicht mehr genau, irgendwie hat die App da was vergessen. Im Februar war unser „Super-Winter“ mit sehr viel Schnee, da war der Betrieb eine ganze Weile eingestellt. Und im Juli/August schließlich hatte ich ein paar Tage Urlaub 😉

Die Kilometer sind nur die Strecke, die ich zu einem Restaurant und dann vom Restaurant zum Kunden gefahren bin. Das „rumgeeiere“ zwischen Aufträgen wird nicht erfasst, ebensowenig der Weg von und nach Hause. Insgesamt bin ich also deutlich mehr gefahren.